12.05.2025

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Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832),
Dichter, Denker, Kritiker und Naturforscher.

(Goethe befand sich im Staatsdienst und musste, um seine materielle Existenz nicht zu gefährden, in seinen Äußerungen über Christismus und Kirche vorsichtig agieren. Goethes Verhältnis zur Amtskirche war distanziert. Er hatte seine Probleme mit der Institution Kirche. In einem kleinen Werk Goethes, „Brief des Pastors zu … an den neuen Pastor zu …“, nimmt Goethe die frömmelnde Heuchelei aufs Korn, wie denn auch die Reformation mit einem ,Mönchsgezänk‘ begann. Er tritt für Toleranz ein. Die Form ist ihm einerlei, wichtig allein ist der eigene Glaube. Diese Schwärmerei rief natürlich Kritiker auf den Plan, so Bodmer und Lavater, von dem sich Goethe zusehends distanziert. So bezeichnet der Schwager Lavaters den Goethe als „Schwärmer“ und „Tollhäusler“. Gegen die kirchliche Kritik wandte sich Goethe beispielsweise in seinem Werk „Der ewige Jude“, das zu seinem Glück erst 1834 veröffentlicht wurde, ansonsten hätte es seiner Karriere wohl sehr bald ein Ende gesetzt. Die Fabel des in Knittelverse gesetzten Epos: Christus kehrt nach 1774 Jahren auf die Erde zurück, um zu sehen, was aus seiner Lehre geworden ist. Er trifft Ahasver, der Jesus einst am Kreuze verspottet hatte. Bei den angetroffenen gesellschaftlichen Verhältnissen läuft Jesus Gefahr, ein zweites Mal gekreuzigt zu werden. Goethe führte verschiedene religiöse Strömungen auf: Katholiken, Lutheraner, Pietisten Methodisten, und meinte, dass sie als Narren doch im Grunde genommen allesamt der gleichen Narretei verfallen sind.)

Den deutschen Mannen gereichts zum Ruhm,
Dass sie gehasst das Christentum,
Bis Herrn Karolus' leidigem Degen
Die edlen Sachsen unterlegen.
Doch haben sie lange genug gerungen,
Bis endlich die Pfaffen sie bezwungen,
Und sie sich unters Joch geduckt;
Doch haben sie immer einmal gemuckt.
Sie lagen nur im halben Schlaf,
Als Luther die Bibel verdeutscht so brav.
Sankt Paulus, wie ein Ritter derb
Erschien den Rittern minder herb.
Freiheit erwacht in jeder Brust,
Wir protestieren all mit Lust.

Quelle: „Zahme Xenien“, 9, Nachl., zitiert in: Abermals krähte der Hahn, 1996, S. 681

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Glaubt nicht, dass ich fasele, dass ich dichte;
Seht hin und findet mir andre Gestalt!
Es ist die ganze Kirchengeschichte
Mischmasch von Irrtum und Gewalt.

Mit Kirchengeschichte was hab ich zu schaffen?
Ich sehe weiter nichts als Pfaffen;
Wie's um die Christen steht, die Gemeinen,
Davon will mir gar nichts erscheinen.

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„Sag, was enthält die Kirchengeschichte?
Sie wird mir in Gedanken zunichte:
Es gibt unendlich viel zu lesen -
Was ist denn aber das alles gewesen?“

Zwei Gegner sind es, die sich boxen,
Die Arianer und Orthodoxen.
Durch viele Säkla dasselbe geschicht,
Es dauert bis an das jüngste Gericht.

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Ich habe nichts gegen die Frömmigkeit,
Sie ist zugleich Bequemlichkeit;
Wer ohne Frömmigkeit will leben,
Muss großer Mühe sich ergeben:
Auf seine eigne Hand zu wandern,
Sich selbst genügen und den andern.
Und freilich auch dabei vertraun,
Gott werde wohl auf ihn niederschaun.

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Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,
Hat auch Religion;
Wer jene beiden nicht besitzt,
Der habe Religion.

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Lasst euch nur von Pfaffen sagen,
Was die Kreuzigung eingetragen!
Niemand kommt zum höchsten Flor
Von Kranz und Orden,
Wenn einer nicht zuvor
Derb gedroschen worden.

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Vieles kann ich ertragen. Die meisten beschwerlichen Dinge
Duld ich mit ruhigem Mut, wie es ein Gott mir gebeut.
Wenige sind mir jedoch wie Gift und Schlange zuwider,
Viere: Rauch des Tabaks, Wanzen und Knoblauch und Kreuz.

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Was auch Helden getan, was Kluge gelehrt, es verachtets
Wähnender christlicher Stolz neben den Wundern des Herrn.
Und doch schmückt er sich selbst und seinen nackten Erlöser
Mit dem Besten heraus, was uns der Heide verließ.
So versammelt der Pfaffe die edlen, leuchtenden Kerzen
Um das gestempelte Brot, das er zum Gott sich geweiht.

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„Juden und Heiden hinaus!“ so duldet der christliche Schwärmer.
„Christ und Heide verflucht!“ murmelt ein jüdischer Bart.
„Mit den Christen an Spieß und mit den Juden ins Feuer!“
Singet ein türkisches Kind Christen und Juden zum Spott.

Welcher ist der Klügste? Entscheide! Aber sind diese
Narren in deinem Palast, Gottheit, so geh ich vorbei.
Höllengespenster seid ihr und keine Christen, ihr Schreier,
Die ihr den lieblichen Schlaf mir von den Augen verscheucht.
Warum macht der Pfaffe so viele tausend Gebärden
Und verscheuchet euch nicht wieder zur Hölle zurück?

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Auf Lavaters (überfrommer Theologe) „Lied eines Christen an Christus“

Du bist! du bist ! sagt Lavater. Du bist! !
Du bist!!! du bist !!!! du bist Herr Jesus Christ !!!!!
Er wiederholte nicht so heftig Wort und Lehre,
Wenn es ganz just mit dieser Sache wäre.

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Im Faust I. von 1808 zum Beispiel:

„Die Kirche hat einen guten Magen,
Hat ganze Länder aufgefressen
Und doch nie sich übergessen.
Die Kirch‘ allein, meine lieben Frauen,
Kann ungerechtes Gut verdauen.“

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West-östlicher Divan, Aus dem Nachlass (Ausschnitt):

Süßes Kind, die Perlenreihen,
Wie ich irgend nur vermochte,
Wollte traulich dir verleihen,
Als der Liebe Lampendochte.

Und nun kommst du, hast ein Zeichen
Dran gehängt, das unter allen
Den Abraxas seinesgleichen
Mir am schlechtesten will gefallen.

Diese ganz moderne Narrheit
Magst du mir nach Schiras bringen!
Soll ich wohl, in seiner Starrheit,
Hölzchen quer auf Hölzchen singen?

Abraham, den Herrn der Sterne,
Hat er sich zum Ahn erlesen;
Moses ist, in wüster Ferne,
Durch den Einen groß gewesen.

David auch, durch viel Gebrechen,
Ja Verbrechen durchgewandelt,
Wusste doch sich loszusprechen.
Einem hab ich recht gehandelt.

Jesus fühlte rein und dachte
Nur den einen Gott im stillen;
Wer ihn selbst zum Gotte machte,
Kränkte seinen heilgen Willen.

Und so muss das Rechte scheinen,
Was auch Mahomet gelungen:
Nur durch den Begriff des Einen
Hat er alle Welt bezwungen.

Wenn du aber dennoch Huldgung
Diesem leidgen Ding verlangest,
Diene mir es zur Entschuldgung,
Dass du nicht alleine prangest.-

Doch allein! - Da viele Frauen
Salomonis ihn verkehrten,
Götter betend anzuschauen,
Wie die Närrinnen verehrten

- Isis' Horn, Anubis' Rachen
Boten sie dem Judenstolze -,
Mir willst du zum Gotte machen
Solch ein Jammerbild am Holze!

Und ich will nicht besser scheinen,
Als es sich mit mir eräugnet:
Salomo verschwur den seinen,
Meinen Gott hab ich verleugnet.

Lass die Renegatenbürde
Mich in diesem Kuss verschmerzen:
Denn ein Vitzliputzli würde
Talisman an deinem Herzen.

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Aus „West-östlicher Divan“, 1819:

Was hilft’s dem Pfaffen-Orden
Der mir den Weg verrannt?
Was nicht gerade erfasst worden
Wird auch schief nicht erkannt.

Soll man dich nicht auf’s schmälichste berauben,
Verbirg dein Gold, dein Weggehn, deinen Glauben.

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Aus „Jahrmarkt von Plundersweilern“

Haman:
Gnädger König Herr und Fürst
Du mir es nicht verargen wirst
Wenn ich an deinem Geburtstag
Dir beschwerlich bin mit Verdruss und Klag.
Es will mir aber das Herz abfressen
Kann weder schlafen noch trinken noch essen.
Du weißt wieviel es uns Mühe gemacht
Bis wir es haben so weit gebracht
An Herrn Kristum nicht zu glauben mehr
Wie's tut das große Pöbels Heer.
Wir haben endlich erfunden klug
Die Bibel sei ein schlechtes Buch.
Und sei im Grund nicht mehr daran
Als an den Kindern Heyemann
Drob wir denn nun jubilieren
Und herzliches mitleiden spüren
Mit dem armen Schöpsenhaufen
Die noch zu unserm Herrn Gott laufen.
Aber wir wollen sie bald belehren
Und zum Unglauben sie bekehren
Und lassen sie sich was nicht weisen
So sollen sie alle Teufel zerreißen.

Behüte Gott, Ihre Majestät.
Das leidt sein Lebtag kein Prophet.
Doch wären die noch zu bekehren
Aber die leidigen Irrlehren
Der Empfindsamen aus Judäa
Sind mir zum teuren Ärger da.
Was hilfts dass wir Religion
Gestoßen vom Tyrannenthron
Wenn die Kerls ihren neuen Götzen
Oben auf die Trümmer setzen.
Religion, Empfindsamkeit
Ist ein D*** ist lang wie breit.
Müssen das all exterminieren
Nur die Vernunft, die soll uns führen.
Ihr himmlisch klares Angesicht.

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Goethe über Luther und verworrenen Quark:

Pfaffen und Schulleute quälen unendlich, die Reformation soll durch hunderterley Schriften verherrlicht werden; Maler und Kupferstecher gewinnen auch was dabei. Ich fürchte nur, durch alle diese Bemühungen kommt die Sache so ins Klare, daß die Figuren ihren poetischen, mythologischen Anstrich verlieren. Denn unter uns gesagt, ist an der ganzen Sache nichts interessant, als Luthers Charakter und es ist auch das einzige, was der Menge eigentlich imponirt. Alles übrige ist ein verworrener Quark, wie er uns noch täglich zur Last fällt.

Johann Wolfgang von Goethe an Karl Ludwig von Knebel, Weimar, 22.08.1817

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Groß ist die Diana der Epheser

Apostelgeschichte 19, 39

Zu Ephesus ein Goldschmied saß
In seiner Werkstatt, pochte,
So gut er konnt, ohn Unterlaß,
So zierlich ers vermochte.
Als Knab und Jüngling kniet er schon
Im Tempel vor der Göttin Thron
Und hatte den Gürtel unter den Brüsten,
Worin so manche Tiere nisten,
Zu Hause treulich nachgefeilt,
Wie's ihm der Vater zugeteilt;
Und leitete sein kunstreich Streben
In frommer Wirkung durch das Leben.

Da hört er denn auf einmal laut
Eines Gassenvolkes Windesbraut,
Als gäbs einen Gott so im Gehirn,
Da! hinter des Menschen alberner Stirn,
Der sei viel herrlicher als das Wesen,
An dem wir die Breite der Gottheit lesen.

Der alte Künstler horcht nur auf,
Lässt seinen Knaben auf den Markt den Lauf,
Feilt immer fort an Hirschen und Tieren,
Die seiner Gottheit Kniee zieren,
Und hofft, es könnte das Glück ihm walten,
Ihr Angesicht würdig zu gestalten.

Wills aber einer anders halten,
So mag er nach Belieben schalten;
Nur soll er nicht das Handwerk schänden,
Sonst wird er schlecht und schmählich enden.

Man kann sagen, dass Goethes Zitat „Groß ist die Diana der Epheser“ auf die Bedeutung der menschlichen Kultur, der menschlichen Verehrung und der Erinnerung an vergangene Errungenschaften hinweist. Goethe betont, wie wichtig die Menschen für die Götter und für ihre eigene Geschichte sind.

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Legende.

In der Wüsten ein heiliger Mann
Zu seinem Erstaunen tät treffen an
Einen ziegenfüßigen Faun, der sprach:
»Herr, betet für mich und meine Gefährt',
Dass ich zum Himmel gelassen werd,
Zur Seligen Freud: uns dürstet darnach.«
Der heilige Mann dagegen sprach:
»Es sieht mit deiner Bitte gar gefährlich,
Und gewährt wird sie dir schwerlich.
Du kommst nicht zum Englischen Gruß:
Denn du hast einen Ziegenfuß.«
Da sprach hierauf der wilde Mann:

»Was hat Euch mein Ziegenfuß getan?
Sah ich doch manche strack und schön
Mit Eselsköpfen gen Himmel gehn.«

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Beruf des Storches

Der Storch, der sich von Frosch und Wurm
An unserm Teiche nähret,
Was nistet er auf dem Kirchenturm,
Wo er nicht hingehöret?

Dort klappt und klappert er genung,
Verdrießlich anzuhören;
Doch wagt es weder alt noch jung
Ihm in das Nest zu stören.

Wodurch - gesagt mit Reverenz
Kann er sein Recht beweisen,
Als durch die löbliche Tendenz
Aufs Kirchendach zu ...... (scheißen).

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Diner zu Koblenz

Zwischen Lavater und Basedow
Saß ich bei Tisch des Lebens froh.
Herr Helfer, der war gar nicht faul,
Setzt' sich auf einen schwarzen Gaul,
Nahm einen Pfarrer hinter sich
Und auf die Offenbarung strich,
Die uns Johannes, der Prophet,
Mit Rätseln wohl versiegeln tät;
Eröffnet' die Siegel kurz und gut,
Wie man Theriaksbüchsen öffnen tut,
Und maß mit einem heiligen Rohr
Die Kubusstadt und das Perlentor
Dem hocherstaunten Jünger vor.
Ich war indes nicht weit gereist,
Hatte ein Stück Salmen aufgespeist.

Vater Basedow, unter dieser Zeit,
Packt' einen Tanzmeister an seiner Seit
Und zeigt' ihm, was die Taufe klar
Bei Christ und seinen Jüngern war
Und dass sich's gar nicht ziemet jetzt,
Dass man den Kindern die Köpfe netzt.
Drob ärgert' sich der andre sehr
Und wollte gar nichts hören mehr
Und sagt': es wüsste ein jedes Kind,
Dass es in der Bibel anders stünd.
Und ich behaglich unterdessen
Hätt einen Hahnen aufgefressen.

Und, wie nach Emmaus, weiter ging's
Mit Geist- und Feuerschritten,
Prophete rechts, Prophete links,
Das Weltkind in der Mitten.

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Neue Heilige

Alle schöne Sünderinnen,
Die zu Heiligen sich geweint,
Sind, um Herzen zu gewinnen,
All’ in eine nun vereint.
Seht die Mutterlieb’, die Tränen,
Ihre Reu’ und ihre Pein!
Statt Marien Magdalenen
Soll nun Sankt Oliva sein.

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Dem 31. Oktober 1817

Dreihundert Jahre hat sich schon
Der Protestant erwiesen,
Dass ihn von Pabst- und Türkenthron
Befehle baß verdrießen.

Was auch der Pfaffe sinnt und schleicht,
Der Prediger steht zur Wache,
Und dass der Erbfeind nichts erreicht,
Ist aller Deutschen Sache.

Auch ich soll gottgegebene Kraft
Nicht ungenützt verlieren,
Und will in Kunst und Wissenschaft
Wie immer protestieren.

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Herkömmlich

Priester werden Messe singen,
Und die Pfarrer werden pred'gen;
Jeder wird vor allen Dingen
Seiner Meinung sich entled'gen
Und sich der Gemeine freuen,
Die sich um ihn her versammelt,
So im Alten wie im Neuen
Ohngefähre Worte stammelt.
Und so lasset auch die Farben
Mich nach meiner Art verkünden,
Ohne Wunden, ohne Narben,
Mit der lässlichsten der Sünden.

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Strophe aus Braut von Korinth

Und der alten Götter bunt Gewimmel
Hat sogleich das stille Haus geleert.
Unsichtbar wird Einer nur im Himmel,
Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt;
Opfer fallen hier,
Weder Lamm noch Stier,
Aber Menschenopfer unerhört.

(Goethe zeigt das Inhumane der christlich erzwungener Askese.)

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Hier einige Goethe-Zitate:


„Offen stehet das Grab. Welch herrlich Wunder, der Herr ist auferstanden! Wer's glaubt! Schelme, ihr trugt ihn ja weg.“


„Unsterblich ist die Pfaffenlist.“


„..nennen sich Christen und unter ihrem Schafspelz sind sie reißende Wölfe.“


„Man muss etwas zu sagen haben, wenn man reden will. Ich bedaure immer unsere guten Kanzelmänner, welche sich seit 2000 Jahren durchgedroschene Garben zum Gegenstand ihrer Tätigkeit wählen müssen.“ (An Fr.v.Müller v.16.8.1798)


„Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind“ (Faust I)


„Er ist ein heller Geist und also ungläubig.“ (Wilhelm Meisters Wanderjahre)


„Dich vermag aus Glaubensketten, / der Verstand allein zu retten.“


„Der Glaube ist nicht der Aufgang,, sondern das Ende allen Wissens.“


Christlicher Heroismus dünkte Goethe Unnatur. Nur der humoristische Heilige Philippus Neri konnte von ihm als Naturwesen kanonisiert werden.